Unter keinem guten Stern
18. Osnabrücker Blueslawine (Haus der Jugend)
Das traditionsreiche Festival stand diesmal unter keinem guten Stern und der veranstaltende Verein Osnabrücker Bluesverstärker konnte einem schon leidtun. So waren die Plakate gedruckt und Inserate in Musikmagazinen geschaltet, als der Headliner absagte. Der Amerikaner Sherman Robertson musste nach einem Schlaganfall passen, dafür reiste seine Band mit der afroamerika-nischen Sängerin/Gitarristin Deborah Coleman an. Die wiederum fing sich kurz vor dem Auftritt eine Erkältung ein und war daher nicht gut bei Stimme. Doch damit nicht genug, auch die Miller Anderson Band musste wenige Tage vor dem Festival ihre komplette Europatournee absagen, der Namensgeber und Woodstock-Veteran war ebenfalls erkrankt. Dessen Keyboarder Frank Tischer stellt kurzfristig eine Band ohne Anderson zusammen, die als Frank Tischer & The Ramblers das Festival eröffneten und den Opener –Job souverän erledigte.
Auch wenn Deborah Coleman nur mit heiserer Stimme singen konnte, so war ihr Auftritt mit der Sherman Robertson Band das Highlight des Festivals. Die Gesangspassagen reduzierte sie auf ein Minimum, dafür standen ausgedehnte Gitarrensoli und extrem lange Songs im Mittelpunkt. Das Repertoire umfasste Blues, Bluesrock und viele Funk-Elemente. Ihre Show war trotz aller Widrigkeiten überzeugend. An der Kai Strauss Band mit dem ebenso ausdrucksstarken wie jungen Sänger Jeffrey Amankwa schieden sich hingegen die Geister. Dies sogar deutlich sichtbar, denn der Saal leerte sich zusehends. Strauss haben viele noch als Gitarristen von Memo Gonzalez & The Bluescasters in Erinnerung, doch die Ausrichtung seiner Band hat damit wenig gemeinsam. Für Soul und Blues mit sattem Keyboard-Sound und gelegentlichen Reggae-Elementen konnte sich ein großer Teil des Publikums – das „Haus der Jugend“ war mit knapp 600 Besuchern nahezu ausverkauft – nicht erwärmen und ging vorzeitig nach Hause.
Bluesnews 70 – Jörg Schmidt
Zwei Tage vor der Blueslawine erreichte uns die Meldung, dass Miller Anderson aus gesundheitlichen Gründen seinen geplanten Auftritt absagen musste. Frank Tischer (Piano und Gesang) und Tommy Fischer (Drums) aus der Miller Anderson Band konnten jedoch auf die Schnelle zwei Kollegen, Martin Günzel auf der Gitarre und Janni Schmidt auf Bass, für den Auftritt gewinnen.
Deborah Coleman wurde am 3. Oktober 1956 in Portsmouth, Virginia geboren. Sie verbrachte ihre Jugendzeit unter anderem in San Diego, San Francisco und Chicago, da ihr Vater, ein Armeeangehöriger, oft versetzt wurde. Die Familie war sehr musikalisch und Deborah begann schon im Alter von 15 Jahren in Bands zu spielen. Anfangs als Bassistin, dann wechselte sie zur Gitarre.
Als Einflüsse ihres Gitarrenspiels nennt sie Jimi Hendrix, Jeff Beck, Buddy Guy, Freddie und Albert King. Für ihren Gesangsstil beruft sie sich auf Chrissie Hynde und Patti Smith.
1981 heiratete Deborah Coleman, bekam eine Tochter und ließ ihre musikalische Karriere eine Weile ruhen. Während der Erziehungszeit ihres Kindes übte sie einen Vollzeitjob als Elektrikerin aus.
Schließlich entschied sie sich wieder ins Musikbusiness einzusteigen. 1993 gewann sie einen Talentwettbewerb des Charleston Blues Festivals. Ein Jahr später erschien ihre erste CD "Takin' A Stand". Seit 1997 ist sie bei Blind Pig unter Vertrag und hat dort sieben Alben veröffentlicht. Sehr erfolgreich war auch ihre Europa-Konzertreise im Rahmen des "Blues Caravans" zusammen mit Sue Foley und Roxanne Potvin im Jahre 2007 und die daraus entstandene CD "Time Bomb".
Musikzeitschriften wurden mit Titelgeschichten auf sie aufmerksam. Sie wurde sechs Mal für den "W. C. Handy Award" nominiert. Die Nominierung "Best Guitarist", umgeben von ihren männlichen Gegenspielern, schätzt sie am höchsten ein.
Die Tatsache, dass sie, die weibliche Afro-Amerikanerin sich als Lead-Gitarristin, Sängerin und Songwriterin durchgesetzt hat, macht sie zu einer einzigartigen Künstlerin. Ihre Kunst und Leidenschaft hat ihr den Weg zum Erfolg geebnet.
Die Kai Strauss Band aus Deutschland wird die 18. Osnabrücker Blueslawine eröffnen.
Kai Strauss war Gründungsmitglied der Bluescasters, die wiederum den texanischen Sänger und Harmonikaspieler Memo Gonzalez 15 Jahre lang tatkräftig unterstützten.
Nach fünf CD-Veröffentlichungen und zahllosen Auftritten in ganz Europa und den USA schlägt er seit dem Jahre 2011 ein neues Kapitel auf. "Es ist Zeit für etwas Frisches, neue Einflüsse und die Möglichkeit meine musikalischen Einflüsse ganz ausleben zu können", meint er und sein Quartett lässt aufhorchen mit "Soulfoul Roots Music & Greasy Blues".
Mit Kai spielen an der Orgel Wolfgang Roggenkamp aus Berlin, am Schlagzeug Alex Lex, als Sänger Jeffrey Amankwa aus Wuppertal, der europäische und afrikanische Kultur in sich vereint.
Als Gastmusiker hört man Jan Karow mit Keyboards und Gesang sowie den Osnabrücker Moritz Fuhrhop am Bass. Produziert haben diese Musiker die CD "A Good Day".
Flair statt Veteranen
Blueslawine im Haus der Jugend
Osnabrück. Für heftige Diskussionen sorgte diesmal die Blueslawine: Das alljährliche Festival im Haus der Jugend ist für viele Bluesfans ein Höhepunkt im Kulturkalender. Doch sagten einige Bands ab, außerdem schieden sich an der außergewöhnlichen Bluesinterpretation der Kai Strauss Band die Geister. Puristen zogen empört von dannen, andere plädierten für eine liberale Öffnung des Genres gegenüber anderen Musikrichtungen.
Dass der Veranstalter, der Förderkreis "Bluesverstärker", durchaus bereit ist, Experimente zu wagen, zeigte sich bereits im vergangenen Jahr, als mit The Brew eine sehr junge, dynamische Band präsentiert wurde, die mehr Rock als Roots-Blues spielte. Doch offenbar wurde diese harte Variante eher goutiert als die Einflüsse von Pop, Soul und sogar Reggae, die Kai Strauss mit seinem neuen Projekt in die bluesige Ursuppe schüttete.
Zurück auf Start: Eröffnet wurde die Blueslawine von Frank Tischer & The Ramblers. Pianist Tischer ist deutscher Begleitmusiker des legendären Miller Anderson, auf dessen Show sich viele Bluesfans bereits gefreut hatten. Doch der Woodstock-Veteran erkrankte in dieser Woche, sodass seine Tour abgesagt werden musste. Kurzfristig entschlossen sich die Veranstalter, Tischers Angebot anzunehmen, ohne Anderson aufzutreten, der schon mit Keef Hartley, Savoy Brown und der Spencer Davis Group unterwegs war. Amüsant geriet der Auftritt der Deutschen, die offenbar noch schnell einen jungen Bassisten engagiert hatten, der zur Sicherheit nach Noten spielte. Allerdings sollten die Musiker darauf verzichten, Van Morrison zu covern, wenn man nicht mit der entsprechenden Stimme gesegnet ist.
Deborah Coleman brachte als Ersatz für Sherman Robertson – er erlitt Anfang des Jahres einen Schlaganfall – weibliches Flair in die Runde. Allerdings war die junge Musikerin von einem Virus angefallen worden, denn ihre heiser-brüchige Stimme setzte sie eher selten ein. Oder es ist bei der Afroamerikanerin halt so, dass ihr Schwerpunkt die Saitenarbeit ist. Fast alle gespielten Songs, die gern die Zehn-Minuten-Grenze rissen, mündeten nach kurzen Vokallinien in ausgiebige Instrumentalpassagen, die gern in Richtung Funk oder Southernrock blickten. Ungewöhnlich, aber gefühlvoll und sehr versiert musiziert.
Leider fanden die geradezu poppigen Songs von Kai Strauss zum Abschluss des Abends nicht mehr so viele Fans. Dabei hat sein aktuelles Album "This Time" mit dem afrodeutschen Sänger Jeffrey Amankwa und dem Hammond-Virtuosen Wolfgang Roggenkamp Aufmerksamkeit und offene Ohren in jedem Fall verdient.
Neue Osnabrücker Zeitung, 18.03.2012
Widrigkeiten locker überspielt
18.Osnabrücker Blueslawine:
Trotz Absagen Begeisterung , Qualität & Flair
Phil Collins hat einst die Filmmusik "Against All Odds" verfasst und gesungen. Gegen jede Menge Widrigkeiten hatten auch die Osnabrücker Bluesverstärker bei der 18. Blueslawine am vergangenen Samstag zu kämpfen.
Da steckt man nicht drin! Manchmal kommt es halt richtig "dicke". Zwei der drei Protagonisten waren ausgefallen. Der amerikanische Gitarrist Sherman Robertson hatte einen Schlaganfall erlitten und musste absagen. Zwei Tage vor dem Blueskonzert kam die Nachricht, dass der Schotte Miller Anderson einen Schwächeanfall erlitten hatte.
Für Robertson stand nun vor gut gefülltem Haus die amerikanische Gitarristin Deborah Coleman auf der Bühne, die mehr als ein gleichwertiger Ersatz war. Auch sie hatte mit einem Handicap zu kämpfen: Die Band war aus dem warmen Bahrain nach Europa gekommen und Deborah hatte sich prompt eine Erkältung zugezogen. So schonte sie vielleicht ein wenig ihre Stimme, aber mit flüssigem Gitarrenspiel und schönen langen Soli konnte sie das Publikum begeistern. Oftmals ließ einen das an die Allman Brothers denken.
Zum Auftakt des Abends vertrauten die Bluesverstärker auf die deutsche Begleitband von Miller Anderson um den Organisten Frank Tischer, die mit Unterstützung des Gitarristen Martin Günzel die Bühne betraten und mit Bravour einen Set aus Bluesstandards, wie "I'm Ready" oder "Stormy Monday" ( als schönem Slowblues) ablieferten. Santanas "Oye Como Va" war mit im Repertoire und Tischer steuerte mit seinen "Ramblers" eine jazzige Scat-Gesangsnummer bei.
Zu guter Letzt betraten die Lokalmatadore der Kai Strauss Band die Bühne im Haus der Jugend und stellten viele Stücke ihrer gerade fertig produzierten CD "This Time" vor. Fetzig, mitunter poppig – der "Lawine" tut es gut, puristische Pfade auch mal zu verlassen. Kai Strauss zeigte seine Künste an der Gitarre, Wolfgang Roggenkamp einen tollen Einsatz an der Hammondorgel und der junge Sänger Jeffrey Amankwa aus Oberhausen stellte die Qualität seines souligen Gesangs in Stücken wie "Something You've Got" und "Sweet Sugar You" unter Beweis. Gewohnt relaxt saß Alex Lex an den Drums.
Mit dem Stück "Many Rivers To Cross" ließ die Kai Strauss Band dem Abend im Haus der Jugend ausklingen. Die Osnabrücker Bluesgemeinde – schon ein Völkchen für sich, aber treu und bodenständig – freut sich schon auf die nächste "Lawine". Und in 2 Jahren, beim 20. Geburtstag, könnte die Feier auch über 2 Abende gehen.
Osnabrücker Nachrichten, 21.03.2012. Von Hans Peter Müller