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Italienischer Torpedo an der Gitarre
Rudy Rotta bringt bei der Blueslawine
das Haus der Jugend zum Kochen

 

Rudy Rotta lässt sie heulen, die Güterzüge, die den Blues aus dem Mississippi-Delta in die Weiten Amerikas getragen haben. Doch wenn der Italiener zur Slide-Gitarre greift, haftet ihnen nichts von romantischem Fernweh an. Bei ihm verkeilen sich mit einem Aufschrei ganze Zugkolonnen ineinander: Wild, laut und voller Energie gibt Rotta dem Blues seine urwüchsige Kraft zurück.

Es müssen nicht immer die großen Namen sein, die eine Veranstaltung zu einer guten Veranstaltung machen. Den Beweis dafür lieferte die diesjährige Blueslawine. Drei Bands hatten die Mitglieder des Osnabrücker Bluesverstärker als Ausrichter des Mini-Festivals auf das Programm gesetzt, und alle Namen waren eher Insidern geläufig. Jetzt gibt es in der Region Osnabrück allerdings ungefähr 500 Menschen mehr, die in Jim Kahr einen ausgezeichneten Gitarristen sehen, die von der Stimme einer Teresa James begeistert sind und die einen italienischen Musiker mit dem ungewöhnlichen Namen Rudy Rotta als wahren Bluestorpedo kennen gelernt haben. Die Besucher der Lawine wurden mit einem ständig sich steigernden Bluesmarathon überrascht. Bis zum Schluss gegen 1.30 Uhr blieb das Programm spannend, und Rotta sorgte gar für ein Dynamikhoch in tiefer Nacht.

Ein älterer Herr mit Stetson auf dem Kopf betrat als Erster die Bühne: Jim Kahr, ein Musiker, der schon vor 30 Jahren mit John Lee Hooker auf Tournee war, um die Musik des Altmeisters mit seinen Gitarrensoli anzureichern. Heute lebt der Mann aus Chicago in Süddeutschland und hat eine junge Band um sich geschart, in der besonders der Bassist und ein dynamischer Schlagzeuger Aufsehen erregten. Zwar war Kahr als Vertreter der Chicago-Blueslehre angekündigt worden, davon jedoch konnte keine Rede sein. Abwechslungsreich mischte er Rock, R 'n' B, Funk und einmal sogar leicht psychedelische Elemente in seinen Blues. Was Kahr an stimmlicher Substanz fehlt, machte er mit furiosem Gitarrenspiel wieder wett. Sogar ein Solo à la Carlos Santana absolvierte er kurz vor dem Ende seines Sets, das im Publikum als guter Einstieg in den Lawinen-Abgang gewertet wurde.

An Bonnie Raitt, Cyndi Lauper oder einmal sogar an Janis Joplin erinnerte die Stimme von Teresa James, die ihr angerautes Timbre in Schwindel erregende Höhen schrauben kann. Diese Fähigkeit setzte sie effektvoll in eigenen Songs ein, aber auch in Interpretationen, die sich an so unterschiedlichen Künstlern wie Ike & Tina Turner oder ZZ Top orientieren. Entsprechend war das Programm stilistisch weit gefächert: vom gefühlvollen Slowblues bis zum Mardi-Gras-Shuffle.

Mit Rudy Rotta kam die Blueslawine dann erst recht ins Rollen. Eine halbe Stunde vor Mitternacht betrat er die Bühne und brachte den Saal zwei Stunden lang zum Kochen, und das ohne Anlaufzeit und nahezu ohne Pause. Im Mittelpunkt stand dabei Rottas fulminantes Gitarrespiel, doch auch die fantastische Band mit Schlagzeuger Carmine Bloisi, Bassist Luca Nardi und Tastenmann Pewee Durante kamen zum Zug. So erfuhr der Blues überraschende Wendungen, und auf dem extremen Energielevel der Band wurden die Boogies, Shuffles und Funk-inspirierten Stücke zur reinen Freude.

Neue Osnabrücker Zeitung, 6.03.2006

Von Tom Bullmann und Ralf Döring