07.02.1998
Jekyll & Hyde
Crow & The Big Time
Spooner & Wilmking
Dave Myers with Tom Vieth & Friends
Blueslegende in Osnabrück
Blues liegt in der Luft. Einige der über dreihundert Besucher lauschen bei Bier, Wein oder Kaffee bereits in der Eingangshalle den Zwölftaktklängen der 4. Osnabrücker Blueslawine.
Die meisten wollen jedoch im Konzertsaal dabei sein, als die Osnabrücker Band "Jekyll & Hyde" im Haus der Jugend die Veranstaltung furios mit Coverversionen von Eric Clapton bis ZZ-Top eröffnet. Die eigenen Songs von Antonius Geers, Christoph Plüschke (beide Gitarre/Gesang), Günter Merker (Bass) und Christoph Rocholl (Schlagzeug) orientieren sich stilistisch an Bluesrockern wie Walter Trout. "Jekyll & Hyde" erweist sich als der ideale Mitreißer und bringt die Zuschauer mit Leichtigkeit zum Tanzen und Mitsingen.
Mit druckvollen Boogie-Nummern und Bluesstandards aus der Chicago Blues Tradition sowie mit von Jazz und Swing beeinflußten Songs erhalten "Crow & The Big Time" die hervorragende Stimmung im Saal. Die ausdrucksstarke Stimme und das versierte Pianospiel von Horst Bergmeyer überzeugen das Publikum ebenso wie die gut aufeinander eingespielte Rhythmusgruppe mit Michael van Merwyk am Bass und Arndt Schlubach am Schlagzeug.
Ein erster Höhepunkt des Programms ist zweifellos das Duo "Spooner & Wilmking". Eine vielseitige Instrumentierung und ein weitgespanntes Repertoire tragen ebenso dazu bei wie die Fähigkeiten der beiden Vollblutmusiker das Publikum mitzureißen. Der Waliser Gerry Spooner mit seiner markanten, rauhen Stimme und seiner exzellenten Arbeit an Akustikgitarre bzw. Dobro und sein singender Partner Volker Wilmking an Piano, Saxophon und Flöte lassen auf ihrer Reise durch die Welt des Blues laufend neue, spannende Klangfarben entstehen. Glanzlicht in einem vom Publikum teils atemlos verfolgten, teils frenetisch bejubelten Programm ist u.a. Muddy Waters "Mojo Working", bei dem Spooner (Spooner ist kein Spitzname!) zu den "spoons" (Löffel) greift und ein wahres Percussionsfeuerwerk abbrennt.
"Tom Vieth & Friends" bereiten dann durch Stücke im typischen Chicago-Stil die Bühne für den Stargast des Abends: Dave Myers, die Blueslegende aus Chicago. Der 72 jährige ist einer der wichtigsten noch lebenden Vertreter des Chicago-Blues der vierziger und fünfziger Jahre. Als Gitarrist und Bassist der wohl besten Rhythmusgruppe in der Bluesgeschichte, "The Aces" war er u.a. mit Muddy Waters und dem kürzlich verstorbenen Junior Wells im Studio. Dave Myers, mit lederner Schirmmütze und verschmitztem Lächeln, macht es spannend und läßt sich viel Zeit beim Gitarrestimmen. Kritische Zwischenrufe allzu ungeduldiger Zuschauer bremst er routiniert ab: "I'm an old man. Sometimes i can still do it with my guitar, sometimes i can't. Let's hope that today i can do it." Das Publikum hat Glück, heute ist natürlich ein guter Tag. Myers beginnt seinen Auftritt im Stil des Country-Blues - nur mit Gitarre und Gesang - und verlangt mit dieser sehr ursprünglichen und von ihm eindrucksvoll dargebotenen Bluesform zu vorgerückter Stunde den Zuschauern einiges ab.
Mit der Rückkehr von Tom Vieth & Friends auf die Bühne herrscht dann wie von den Veranstaltern angekündigt "die Atmosphäre eines Bluesclub in Chicago". Die Band versteht es, Myers rhythmisch akzentuiertes Gitarrespiel, dem die jahrzehntelange Erfahrung mit der Bassgitarre anzumerken ist, und seinen ausgezeichneten Gesang, z. B. bei "Blues with a feeling" einfühlsam zu begleiten. Mirko Bartolcic (Bass) und Peter Samland (Schlagzeug) legen ein solides rhythmisches Fundament, während Gerd Gorke (Mundharmonika), Tom Vieth (Gitarre) und wiederum Horst Bergmeyer am Piano die Licks und Phrasen von Myers aufnehmen und weiterentwickeln, ohne ihn in den Hintergrund zu drängen. Chicago Blues at its best! Eine leider nur kurze Session mit anderen Musikern des Abends beendet ein außergewöhnliches Blueskonzert.
Die Osnabrücker Bluesverstärker als Veranstalter der 4. Osnabrücker Blueslawine, die mit Unterstützung der Stadt Osnabrück und des LVO zustande kam, sind mit dem Verlauf des Festivals sehr zufrieden: "Unser Konzept, einen Top Act zusammen mit Gruppen aus der Region zu präsentieren, hat sich wieder bewährt. Viele auf dem Festival gespielte Stücke sind Standards, die unter der Beteiligung von Dave Myers erstmals als Hits eingespielt wurden. Man kann sagen, daß mit Myers jemand in Osnabrück aufgetreten ist, der diese Musik (mit-)erfunden hat. Die anderen Bands haben gezeigt, dass wir in der Region eine lebendige und hochrangige Bluesszene haben."
(Kultursignale) Werner J. H. Hülsmann/Gabriele Janz
(Photos: Eric Schäfer)