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Von Seelenarbeitern und Saitenschlägern

 

"Ich will euch beide heute noch tanzen sehen", sagt Meena zu zwei jungen Typen vor der Bühne. "Nicht vor neun", antworten sie der Sängerin mit einem breiten Grinsen. Denn sie wissen: Die Musikerin sitzt dann schon längst in einem Auto in Richtung Berlin, um dort beim 1. European Blues Challenge aufzutreten. Doch auch wenn die Österreicherin länger geblieben wäre - tanzen sieht anders aus. Die beiden sind eher Fuß-Wipper, Kopfnicker und Minimal-Körperbeweger als die exaltierten Tänzer. Jeder reagiert anders auf denselben Klangkörper, wie bei der 17. Blueslawine im ausverkauften Haus der Jugend in Osnabrück deutlich wurde. Manche der 650 Gäste hatten sogar die gute, alte Luftgitarre aus dem Schrank geholt und schwenkten sie enthusiastisch bei den musikalischen Wiederbelebern von The Brew.

Mit Meena eröffnete das Festival ein Blues-Quartett in ungewöhnlicher Besetzung – nicht Männer dominierten das Bild, sondern Frauen. Neben Meena waren mit Marlene Lacherstorfer am Bass und Melissa Hosler am Schlagzeug zwei weitere Künstlerinnen auf der Bühne. Der einzige Mann war Gitarrist Chris Fillmore. Die Vier ließen ihren musikalischen Ausdruck zwischen herzzerreißenden Balladen, groovenden Rockern und souligem Blues changieren. Im Mittelpunkt dabei: Meena. Die Sängerin weiß um die Kraft ihrer vielseitigen Stimme. Immer knapp am Kitsch vorbei, verlieh sie den langsamen Stücken wie "This Song Is For You" genau die richtige Portion Pathos, die aus ihnen gefühlvolle und ans Herz gehende Musik werden ließ – eigene und stellvertretende Seelenarbeit sozusagen. Besonders eindrucksvoll geriet "You Can have my Husband". Voller Inbrunst drohte sie ihrer Kontrahentin. Es schien, als ob die Frau, die von Meena so eindringlich gewarnt wurde, direkt neben ihr auf der Bühne stand – ein fesselnder Moment. Das Quartett allerdings auf die Sängerin zu reduzieren, wäre ein Fehler. Vor allem ihr langjähriger Partner Chris Fillmore, den sie für den "besten Bluesgitarristen" hält, bewies im Haus der Jugend seine Klasse.

Über diese verfügt der Däne Thorbjörn Risager ebenfalls. Gleich beim Opener "I'll Be Moving On" zeigte das Septett um den Sänger und Gitarristen die Richtung der nächsten zwei Stunden auf: gepflegter, moderner Blues garniert mit Swing, Funk, Rhythm'n'Blues, einer Portion Schmutz und witzigen Ansagen. Oder einfacher: Party–Musik, die die Probleme der Welt für ein paar Stunden vor die Tür verbannte. Enorm druckvoll spielten sich die sieben Dänen durch die schwarze Bluesgeschichte der großen amerikanischen Städte, ohne dabei bloße Epigonen des Vergangenen zu sein. Davor bewahrte sie die soulgetränkte Stimme von Thorbjörn Risager genauso wie der erdige Bandsound und die Fähigkeit, dem bereits Gesagten eine eigene Klangfarbe beizumischen.

Auch The Brew blickten zurück: Ihre enorm energiegeladene Musik war eine Reise ins Led Zeppelin–Land der 1960– und 1970er Jahre – ein Schwelgen im Erinnern. Die musikalischen Vorbilder der Jungspunde Jason Barwick und Kurtis Smith sowie ihres "Mentors" Tim Smith waren bei den Eigenkompositionen wie "Surrender It All" und "A Million Dead Stars" nicht zu überhören. Dennoch standen sie im Hier und Jetzt. Und wie Gitarrist Jason Barwick sein Instrument bearbeitete, war sehens– und hörenswert. Statt die Saiten seiner Gibson oder Fender Strat sanft zu zupfen, schlug der 21–Jährige sie hart mit seinen Fingern oder auch mal mit einem Violinenbogen. Dabei hüpfte das Energiebündel immer wieder in die Luft oder lief wie ein Derwisch über die Bühne. Bei ihm paarte sich jugendliche Kraft mit technischem Können. Immer wieder warf der Brite herausfordernde Blicke ins Publikum, als wolle er sagen: "Na, ich hab' was drauf!?". Pausen und ruhige Momente gönnte er sich und seinen Zuhörern selten. Kein Wunder: Nach eigenen Aussagen lieben es The Brew nicht, leise zu spielen.

Für eingefleischte Bluesfans waren The Brew sicher nicht das Richtige, da sie mit ihrem harten Rock die Blue Notes meistens ignorierten. Aber die Macher der Blueslawine öffneten so das Festival auch für artverwandte Musik. Mutig und umstritten, wie Einträge im Gästebuch der Blueslawine zeigen. Bleibt abzuwarten, ob die Organisatoren im nächsten Jahr erneut eine Band abseits des Blues nach Osnabrück holen werden. Fürs Erste scheint ihnen das ausverkaufte Haus der Jugend recht zu geben. (rb)

BluesNews, Juli 2011. Von Ralf Baur