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Liebe zum Blues

 

"Tommy, mach uns Pfeffer unterm Arsch!", tönt es aus dem Saal. Das Publikum im Osnabrücker Haus der Jugend will mehr von dem tanzbaren Stoff, den 5 Live auf der Bühne produziert. Tommy Schneller grinst und rückt sein Saxofon fürs nächste Lied zurecht. Er und seine Bandkollegen Henrik Freischlader, Mickey Neher, Moritz Fuhrhop und Olli Gee lassen sich nicht lange bitten. Die fünf Ausnahmekönner geben den Zuschauern der 16. Blueslawine mehr vom lässig-groovenden, schnörkellosen Blues, der geradewegs in die Beine geht. Es ist aber nicht nur der musikalische Output mit vielen Küchensongs wie "Spooky" und "Little By Little", der beeindruckt, sondern ebenso die starke Präsenz und die hohe Variabilität der Band. Langeweile hört sich anders an.

Begonnen hatte das Festival vier Stunden zuvor leiser und auch nachdenklicher: Big Daddy Wilson zeigte, welch großer Poet und Geschichtenerzähler er ist. Mit seiner sonoren, samtenen Soulstimme sang er über Toleranz anderen Menschen gegenüber ("Walk A Mile In My Shoes"), die harte Arbeit auf einer Tabakfarm in seiner Jugend ("Hard Days Work") und die dunkle Geschichte der Afro-Amerikaner ("Ain't No Slave"). Doch der Sänger variierte: Stücke wie "Country Boy" und "True Love" waren von leichterem Duktus geprägt. So facettenreich seine Texte waren, so sparsam sein Instrumentarium. Mehr als seine Stimme, einige Percussioninstrumente, gelegentlich eine Gitarre und einen Saitenvirtuosen wie Michael van Merwyk an seiner Seite brauchte Big Daddy Wilson nicht, um eine eindringliche Stimmung mit Gänsehautfaktor zu erzeugen; Michael van Merwyk war kurzfristig für den erkrankten Dave Goodman eingesprungen.

Nahtlos gelang Tim Lothar der Übergang. Nur mit akustischer Gitarre und Gesang entführte er das Publikum auf eine Veranda irgendwo im Süden der USA. Beim dritten Lied gesellte sich Harpspieler und Sänger Peter Nande dazu. Urwüchsig und entspannt präsentierten die beiden Dänen ihre Version des Delta Blues'. Genauso wie dieser sich im vergangenen Jahrhundert auf den Weg aus dem Süden in die Städte des US-amerikanischen Nordens gemacht hatte, reisten die beiden nach Chicago. Als Peter Nande Band lieferte das zum Quintett angewachsene Duo mit ihrem leichtfüßigen Retro-Mix aus Chicago-Blues, Boogie und Artverwandtem den passenden Klangkörper für eine ausgelassene Party. Sie zeigten mit Songs wie "Big Boy Boogie", "Telephone Boogie" und "Crazy Train", was Blues auch sein kann - Tanzmusik. Besonders erwähnenswert: Tim Lothars Wechsel von der Gitarre an die Drumsticks.

Von alldem konnten viele der rund 450 Blueslieberhaber nicht genug bekommen. Doch nach über fünf Stunden Musik und einer Jamsession ging ein klanglich hochwertiges Festival zu Ende. Es bleibt zu hoffen, dass die Blueslawine noch viele Jahre existiert. Aber solange es Blues-Enthusiasten wie Hans-Jürgen Weis gibt, muss einem nicht bange sein - er hat das Festival gemeinsam mit Freunden initiiert. Es seien ein "Etikettenschwindel" und "die Liebe zum Blues" gewesen, die die Lawine ins Rollen gebracht habe und Letzteres halte sie heute in Bewegung, sagte er. Und die 17. Auflage ist bereits in Planung - Pfeffer inklusive. (rb)

BluesNews, März 2010. Von Ralf Baur