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Mal episch, mal schnörkellos
26. Osnabrücker Blueslawine im Haus der Jugend schlägt Schneisen ins Genre

Die diesjährige, 26. Osnabrücker Blueslawine mischte das Genre mit viel Rock auf. Während die kanadische Sängerin Layla Zoe den Blues als epische Erzählform interpretierte, begeisterte ihre Kollegin Stacie Collins aus Nashville, Tennessee mit schnörkellosem Rock´n Roll.

Es ist bereits kurz vor Mitternacht, als die quirlige Frau mit Hut und Cowboystiefeln den Rock´n Roll-Klassiker „Shake Baby Shake“ anstimmt. Spätestens da dürfte auch dem letzten Besucher der 26. Osnabrücker Blueslawine klar gewesen sein, dass die veranstaltenden „Bluesverstärker“ das Genre an diesem Abend mächtig durchgeschüttelt haben. Mit ihrer extrovertiert rockigen Attitüde schlug Stacie Collins aus Nashville, Tennessee nicht nur habituell eine lustvoll zerstörerische Schneise durch den Blues. Auch ihre Band „Al-Mighty Three“ tat ihr Übriges, um den Blues oder das, was davon übriggeblieben war, gnaden- und schnörkellos zu verrocken. So konnten auch die anfänglichen und zunächst andauernden Tonprobleme, wegen denen der Auftritt erst mit Verspätung beginnen konnte, mühelos überspielt werden.

Mundharmonika als Waffe
Allein die Frontfrau selbst spielte bei nahezu jedem Song exzessiv und mit vollem Körpereinsatz die Mundharmonika im Chicago-Stil. Mit ihr als vollwertigem Blues-Instrument lieferte sie sich auch reizvolle Duelle mit den beiden sie flankierenden Jungs an den Saiten, während ihr Ehemann Al Collins am Schlagzeug kraftvoll den Rhythmus vorgab. Ihre hohe Cowgirl-Stimme, die sie regelmäßig mit Schlücken aus einer geheimnisvollen Thermosflasche ölte, setzte Stacie Collins auch für Songs mit überraschend gradlinigem und melodiösem Pop-Appeal ein. Dazu zählte etwa das bereits zehn Jahre alte „Carry Me Away“ oder der fast schlagerhafte „Lucky Spot“ ebenso wie „Straight To Hell“ aus dem frischen neuen Album „Damn Girl“.
Blues als Erzählform
Vergleichsweise vertrackt und verspielt erschien dagegen das vorhergehende Set der kanadischen Sängerin Layla Zoe. In ihrer Heimat als „Darling of the Blues“ gefeiert, arbeitete sie unterstützt von ihrer dreiköpfigen Band retrospektiv und chronologisch ihren Song-Katalog ab. Mit wütend wehenden Engelslocken und im bodenlangen schwarzen Glitzerkleid, das fast verbarg, dass sie barfuß auftrat, erinnerte sie nicht nur in ihrer Erscheinung an Janis Joplin. Auch ihre markante Stimme, der sie von Gurren bis Kreischen allerlei Töne auf der gesamten Breite der Gefühlsskala entlockte, outete sie als „Hippie Chick“. Genau so hieß dann auch die fast Prog-Rock-artige Zugabe, die einmal mehr eindrucksvoll unter Beweis stellte, dass Layla Zoe den Blues als epische Erzählform interpretiert. Zwölftakter werden da gern schon mal zu Zwölfminütern mit ausladendem Spannungsbogen. Das von ihr gemeinsam mit Henrik Freischlader geschriebene „Black Oil“ tuckerte dagegen gemächlich vor sich hin, bevor der mitreißende Blues-Rocker „Ghost Train“ das Tempo dann wieder anzog.
Lokaler Farbtupfer
Weit weniger „schmutzig“ hatte zuvor das Münsteraner Quintett „The Bluesanovas“ die Blueslawine 2020 ins Rollen gebracht, die diesmal zum Bedauern der Veranstalter aufgrund des Corona-Effekts nicht ausverkauft war. Der Osnabrücker Gitarrist Nico Dreier hatte dabei bei aller Internationalität des Line-Ups eine lokale musikalische Duftmarke setzt. Nicht nur optisch glänzte er im knallroten Anzug, sondern auch akustisch mit zahlreichen klirrend-krachenden Soli, die Sänger und Frontmann Melvin Schulz neidvoll bestaunte. Aus dem Klassiker „Night Train“ machten die Bluesanovas ihr ganz eigenes Ding, bevor sie mit „Live It Or Leave It“ das Motto des Abends lieferten. Der Rest ist Geschichte.

NOZ vom 14.03.2020 von Matthias Liedtke