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Mit Mut zu Grenzüberschreitungen

 

Osnabrück. Früh kam sie ins Rollen und erst spät in der Nacht zum Stehen: die 17. Osnabrücker Blueslawine. Bereits um 19.45 Uhr hatte die österreichische Sängerin Meena das Minifestival im Haus der Jugend eröffnet, das britische Trio The Brew legte zum Abschluss einer brisanten Show erst weit nach Mitternacht die Instrumente aus der Hand.

Mut bewiesen die Veranstalter vom Förderkreis Bluesverstärker in diesem Jahr, denn die Frage, was die Musik der Band The Brew mit Blues zu tun hat, kann man nur beantworten, wenn man den Blues sehr offen definiert. Sicherlich basiert die gesamte populäre Musik auf den Zwölftaktern. Natürlich hat die Musik von Jimi Hendrix, Led Zeppelin und The Who die Wurzeln im Blues. Nichtsdestotrotz sind die Genannten eindeutig dem Rockgenre zuzuordnen.

So auch The Brew, deren Musik sich stark an dem Rocksound der 60er- und 70er-Jahre orientiert. Und beim Song "A Million Dead Stars" erinnert die Band sogar an die Hardrockurgesteine AC/DC. Das Verrückte ist: Da standen keine ergrauten Herren auf der Bühne, die in Erinnerungen an ihre Jugend schwelgten. Sänger Jason Barwick und Schlagzeuger Kurtis Smith sind gerade mal 20 Jahre alt, nur Bassist Tim Smith ist als Vater von Kurtis entsprechend älter.

Es ist schon phänomenal, wie perfekt diese Youngster ihre Instrumente beherrschen und mit welcher Lässigkeit sie sogar die Posen ihrer Vorbilder vereinnahmen. Die Luftsprünge und das typische Armkreisen eines Pete Townshend sehen bei Barwick nicht einmal wie eine Kopie aus, weil die Bewegungen in eine atemberaubende, dynamische Show integriert sind - die sogar ein viertelstündiges Schlagzeugsolo zu bieten hatte.
Das alles täuschte allerdings nicht darüber hinweg, dass The Brew eine Gratwanderung hart an der Grenze zur Tributband beschreiten. Da ist noch viel Freiraum für Emanzipation.

Apropos Emanzipation. Wie selbstverständlich und schlichtweg gut Frauen nicht nur als Sängerinnen, sondern auch als Instrumentalistinnen in männerdominierten Sektoren ihre Frau stehen, bewies Meena mit ihrer Band. Melissa Rosler überzeugte als Schlagzeugerin, Marlene Lacherstorfer als Bassistin, nur an der Gitarre war ein Mann aktiv: Chris Fillmore.

Eine wahre Pracht, wie diese Band versiert interagierte, um das Blues- und Rhythm-'n'-Blues-Bett für die starke Stimme Meenas zu bereiten. Der Band hätte man gerne noch weiter gelauscht, doch nach der zugreifenden Zugabe "I Shoot You Down" setzte sich das Quartett in den Kleinbus, um sofort nach Berlin zu fahren. Dort fand in derselben Nacht die Preisverleihung der ersten "European Blues Challenge" statt, an der 16 Bands teilgenommen hatten. Der Aufwand lohnte sich für Meena und ihre Band, denn sie konnten hinter dem Belgier Howlin' Bill den zweiten Platz erzielen.

In Osnabrück hatte derweil der dänische Musiker Thorbjørn Risager das Ruder übernommen. Er war mit einer kleinen Big Band angereist, denn sein Blues wurde mit heißen Bläsersätzen angereichert und bekam so bisweilen einen souligen Rhythm-'n'-Blues-Touch. Durch jazzige Soli, Boogie-Woogie Drive vom Pianisten sowie bisweilen aufflammende Bluesrock-Power war für Abwechslung gesorgt.

Das Publikum im ausverkauften Haus der Jugend nahm das Angebot gerne an: Es wurde getanzt, gesungen und gefeiert, bis sich eine junge, frische Blueslawine dem Ende näherte. Nur die Zwölftakt-Puristen kamen einmal mehr nicht auf ihre Kosten.

Neue Osnabrücker Zeitung, 21.03.2011